Qiemo liegt an der südlichen Route der Seidenstrasse, am
Rande der Taklamakan-Wüste. Diese ist eine der trockensten und ausgedehntesten
Wüsten der Welt. Taklamakan heisst übersetzt: «Ort, wo du hineingehst und nicht
mehr zurückkehrst». Gestern haben wir diese durchquert, von Norden nach Süden
über beinahe 4 Breitengrade. Anfänglich am Rande des Tien Shan noch teilweise
grün durch versickerndes Schmelzwasser aus den hohen Bergen und
Bewässerungssysteme, wurde die Gegend zunehmend einsam. Grosse Dünen türmten
sich zu beiden Seiten der Strasse. Diese ist über hunderte von Kilometern von
einem bewässerten Grünstreifen gesäumt, man sagt, dass dies das im Unterhalt
teuerste Strassenstück der Welt sei. Tatsächlich müssen nach den häufigen
Sandstürmen die Fahrbahnen immer wieder frei geräumt werden. Die Grünstreifen
dienen zum Schutz vor diesen Sandverwehungen. Die Reise wurde einmal mehr durch
das unmässige Polizeiaufgebot stark behindert. Von Kuqa bis Qiemo gestern haben
wir mehr als 2 Stunden auf Kontrollposten verbracht. Kontrolliert wurden
lediglich die Pässe, dreimal wurden wir einzeln fotografiert, zusammen mit dem
Pass und dem Visum. Die längste Kontrolle dauerte geschlagene 1 ½ Stunden, ohne
dass irgendetwas gemacht wurde, dies an der brühenden Hitze ohne Schatten! Dies
wird noch 1 Tag weiter so gehen, dann verlassen wir die Provinz Xinjiang und
die uigurischen Unruheherde. Wenn wir an einen Kontrollposten kommen, ist es
immer dasselbe Prozedere: drei oder vier schwarz gekleidete Polizisten, z.T.
mit Hellebarden oder Stecken, schrecken auf. Dann stösst der Vorgesetzte im
blauen Hemd dazu. Der fängt nervös an zu telephonieren und dann geht es 10
Minuten bis 1 ½ Stunden bis es weitergeht.
Die Tage zuvor besuchten wir bei der Abreise am Sonntag den
Viehmarkt von Kashgar, ein wirklich noch echter Markt ohne touristische
Kastration wie die vielen Bazars, die wir bisher besuchten. Auf einem grossen
Feld wurden Schafe, Rinder, Ziegen, Pferde und sogar Kamele angeboten und
wechselten mit lautem Feilschen in rascher Folge die Hand. Der Transport
erfolgte auf zum Teil abenteuerlichen Gefährten. Für das leibliche Wohl sorgten
Garküchen und Grillstände, wo das frisch verarbeitete Fleisch auf Spiessen
angeboten wurde. Die Augen der soeben geschlachteten Tiere waren noch nicht
gebrochen, als ihr Fleisch bereits im Magen der hungrigen Kunden landete. Der
darauffolgende Tag führte uns von Aksu nach Kuqa über eine Seitenroute hinter
der ersten Bergkette durch das Tal von Baicheng. (Die Hauptachse ist mit einer
brandneuen, aber kaum befahrenen Autobahn versorgt. Die Lastwagen verkehren
wegen den extrem hohen Autobahngebühren immer noch auf der Hauptstrasse. Zum
Vergleich: Autobahngebühr und Dieselkosten sind in etwa gleich, also
Verdoppelung der Wegkosten, wenn man die Autobahn benutzt) Kaum hatten wir das
ausgesprochen grüne Tal inmitten der kahlen Bergketten erreicht, wurden wir von
der Polizei angehalten. Nach einem für uns unverständlichen, sehr lauten
Wortwechsel unseres Reiseleiters mit den Beamten konnten wir weiterfahren. Vor
uns fuhr ein Polizeiauto mit Blaulicht und vier Mann Besatzung, hinter uns ein
ziviles Fahrzeug mit Warnblinker und zwei Polizisten, welche andere
Verkehrsteilnehmer von uns fernhielten. Der hintere Wagen scheuchte alle
überholwilligen Autos weg. So ging es in
gemächlichem Tempo über mehr als hundert Kilometer durch Baumalleen und
fruchtbare Felder, Weinberge und Plantagen, durch Siedlungen und
Kontrollposten. In der Ferne winkten ein letztes Mal die schneebedeckten Gipfel
des Tien Shan (Himmelsberge, >7400m hoch). Den Nutzen erfuhren wir erst so
richtig, als wir an einer Brücke an langen Kolonnen vorbei auf der Blauen Linie
eine solche Polizeikontrolle umfahren konnten, verfolgt von den düsteren und
neidischen Blicken der Einheimischen. Man sagte uns, dass dies zu unserem
Schutze geschehen sei, das Gebiet sei gefährlich wegen Attentaten. Hauptsache,
wir erreichten die wunderbare buddhistische Klosteranlage von Kizil aus dem 4.
Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Die Mönche lebten nach indischem Vorbild in
Felshöhlen, welche sich offenbar besonders zur Meditation eignen. Diese wurden
mit prächtigen Fresken geschmückt, welche sich bis heute Dank des trockenen
Klimas bestens erhalten haben. Allerdings haben sie aus anderen Gründen
mehrmals gelitten. Zuerst durch den Bildersturm des einbrechenden Islams vor
etwas mehr als tausend Jahren, durch Raub (die goldenen Farben wurden
abgekratzt) und später durch die Kulturrevolution Mao’s, welche alle alten
Spuren vernichten wollte, um eine neue Gesellschaft zu gründen. Unermesslichen
Schaden richteten die europäischen «Forscher» an, welche die Fresken aus den
Wänden herausschnitten und in transportgerechten Formaten nach Europa, vor
allem in die deutschen und englischen Museen verschifften. Was übriggeblieben
ist, bleibt aber immer noch grossartig!
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