Mittwoch, 25. Juli 2018

Qiemo, 11. Juli 2018


Qiemo liegt an der südlichen Route der Seidenstrasse, am Rande der Taklamakan-Wüste. Diese ist eine der trockensten und ausgedehntesten Wüsten der Welt. Taklamakan heisst übersetzt: «Ort, wo du hineingehst und nicht mehr zurückkehrst». Gestern haben wir diese durchquert, von Norden nach Süden über beinahe 4 Breitengrade. Anfänglich am Rande des Tien Shan noch teilweise grün durch versickerndes Schmelzwasser aus den hohen Bergen und Bewässerungssysteme, wurde die Gegend zunehmend einsam. Grosse Dünen türmten sich zu beiden Seiten der Strasse. Diese ist über hunderte von Kilometern von einem bewässerten Grünstreifen gesäumt, man sagt, dass dies das im Unterhalt teuerste Strassenstück der Welt sei. Tatsächlich müssen nach den häufigen Sandstürmen die Fahrbahnen immer wieder frei geräumt werden. Die Grünstreifen dienen zum Schutz vor diesen Sandverwehungen. Die Reise wurde einmal mehr durch das unmässige Polizeiaufgebot stark behindert. Von Kuqa bis Qiemo gestern haben wir mehr als 2 Stunden auf Kontrollposten verbracht. Kontrolliert wurden lediglich die Pässe, dreimal wurden wir einzeln fotografiert, zusammen mit dem Pass und dem Visum. Die längste Kontrolle dauerte geschlagene 1 ½ Stunden, ohne dass irgendetwas gemacht wurde, dies an der brühenden Hitze ohne Schatten! Dies wird noch 1 Tag weiter so gehen, dann verlassen wir die Provinz Xinjiang und die uigurischen Unruheherde. Wenn wir an einen Kontrollposten kommen, ist es immer dasselbe Prozedere: drei oder vier schwarz gekleidete Polizisten, z.T. mit Hellebarden oder Stecken, schrecken auf. Dann stösst der Vorgesetzte im blauen Hemd dazu. Der fängt nervös an zu telephonieren und dann geht es 10 Minuten bis 1 ½ Stunden bis es weitergeht.
Die Tage zuvor besuchten wir bei der Abreise am Sonntag den Viehmarkt von Kashgar, ein wirklich noch echter Markt ohne touristische Kastration wie die vielen Bazars, die wir bisher besuchten. Auf einem grossen Feld wurden Schafe, Rinder, Ziegen, Pferde und sogar Kamele angeboten und wechselten mit lautem Feilschen in rascher Folge die Hand. Der Transport erfolgte auf zum Teil abenteuerlichen Gefährten. Für das leibliche Wohl sorgten Garküchen und Grillstände, wo das frisch verarbeitete Fleisch auf Spiessen angeboten wurde. Die Augen der soeben geschlachteten Tiere waren noch nicht gebrochen, als ihr Fleisch bereits im Magen der hungrigen Kunden landete. Der darauffolgende Tag führte uns von Aksu nach Kuqa über eine Seitenroute hinter der ersten Bergkette durch das Tal von Baicheng. (Die Hauptachse ist mit einer brandneuen, aber kaum befahrenen Autobahn versorgt. Die Lastwagen verkehren wegen den extrem hohen Autobahngebühren immer noch auf der Hauptstrasse. Zum Vergleich: Autobahngebühr und Dieselkosten sind in etwa gleich, also Verdoppelung der Wegkosten, wenn man die Autobahn benutzt) Kaum hatten wir das ausgesprochen grüne Tal inmitten der kahlen Bergketten erreicht, wurden wir von der Polizei angehalten. Nach einem für uns unverständlichen, sehr lauten Wortwechsel unseres Reiseleiters mit den Beamten konnten wir weiterfahren. Vor uns fuhr ein Polizeiauto mit Blaulicht und vier Mann Besatzung, hinter uns ein ziviles Fahrzeug mit Warnblinker und zwei Polizisten, welche andere Verkehrsteilnehmer von uns fernhielten. Der hintere Wagen scheuchte alle überholwilligen Autos weg.  So ging es in gemächlichem Tempo über mehr als hundert Kilometer durch Baumalleen und fruchtbare Felder, Weinberge und Plantagen, durch Siedlungen und Kontrollposten. In der Ferne winkten ein letztes Mal die schneebedeckten Gipfel des Tien Shan (Himmelsberge, >7400m hoch). Den Nutzen erfuhren wir erst so richtig, als wir an einer Brücke an langen Kolonnen vorbei auf der Blauen Linie eine solche Polizeikontrolle umfahren konnten, verfolgt von den düsteren und neidischen Blicken der Einheimischen. Man sagte uns, dass dies zu unserem Schutze geschehen sei, das Gebiet sei gefährlich wegen Attentaten. Hauptsache, wir erreichten die wunderbare buddhistische Klosteranlage von Kizil aus dem 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Die Mönche lebten nach indischem Vorbild in Felshöhlen, welche sich offenbar besonders zur Meditation eignen. Diese wurden mit prächtigen Fresken geschmückt, welche sich bis heute Dank des trockenen Klimas bestens erhalten haben. Allerdings haben sie aus anderen Gründen mehrmals gelitten. Zuerst durch den Bildersturm des einbrechenden Islams vor etwas mehr als tausend Jahren, durch Raub (die goldenen Farben wurden abgekratzt) und später durch die Kulturrevolution Mao’s, welche alle alten Spuren vernichten wollte, um eine neue Gesellschaft zu gründen. Unermesslichen Schaden richteten die europäischen «Forscher» an, welche die Fresken aus den Wänden herausschnitten und in transportgerechten Formaten nach Europa, vor allem in die deutschen und englischen Museen verschifften. Was übriggeblieben ist, bleibt aber immer noch grossartig!

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