Wir sitzen in der Hotelbar hoch über den Dächern von Istanbul mit dem Blick auf den Bosporus. Es ist heiss, aber nicht unangenehm, da ein kühles Bier (Ramadan lässt grüssen) die Rast begleitet.
Die Fähre von Ancona nach Patras ist luxuriös eingerichtet, mit guter Verpflegung und engen, aber sauberen Kabinen. Von der Pünktlichkeit sprechen wir lieber nicht! Kein Wunder, wenn man die organisatorischen Talente beobachten kann, welche die griechische Mannschaft stellt. Im ersten griechischen Hafen mussten zuerst die Lastwagen mit fernerem Ziel ausgeladen werden, damit die Rampen für die PW frei wurden. So weit, so gut. Nach verlassen des letzten PW wurden die Lastwagen wieder verladen, bis man merkte, dass da auch noch Campingfahrzeuge auf den Auslad warteten. Also wurden nochmals die behindernden Lastwagen ans Land beordert, um dann mühsam wieder, oft rückwärts in die Fähre gelotst zu werden. Für uns nicht pressierten Passagiere immerhin ein Gratisschauspiel!
Patras ist eine geschäftige Hafenstadt am Nordwestende des Peloponnes. Den Eingang zum Golf von Korinth überspannt eine neue grosszügige Hängebrücke, allerdings auch mit einem entsprechenden Strassenzoll: 13.50 Euro sind wohl für die Griechen oft unerschwinglich! Auf einer malerischen Uferstrasse führte uns die Reise noch gleichentags nach Delphi, dem ersten Höhepunkt der Expedition. Die gepflegten Überreste des berühmten Orakels in der gebirgigen Landschaft über weiten Olivenhainen lassen einen von der Antike träumen, als hier die Leute nach dem Schicksal und den Aussichten von Feldzügen forschten. Die Pythia, eine mythische Personifizierung soll hier über giftigen Dämpfen, die dem Erdreich entstiegen, unverständliche Worte in Trance geäussert haben, die dann von den sehr gut durch ein Spionagenetz informierten Priestern in möglichst zweideutiger Weise interpretiert und den Leuten für teures Geld verkauft wurden. Immerhin war Delphi neutraler Boden, wo die meist zerstrittenen Stadtstaaten ähnlich wie bei der UNO Kontakte knüpfen und diplomatische Lösungen aushandeln konnten.
Der folgende Tag beschied uns wieder eine abwechslungsreiche Fahrt durch die Berge in den Norden von Griechenland, das Gebirge Parnassos mit Wintersportanlagen zur Rechten und später den Olymp zur linken. Der Olymp ist nicht nur der Sitz der griechischen Götterwelt, sondern auch der höchste Berg Griechenlands mti 2917 m. ü. M. Die griechischen Autobahnen sind gut ausgebaut und meist wenig befahren, ausser in der Nähe der grösseren Zentren, so auch Thessaloniki, wo uns ein langer Stau empfing. Unser Hotel entschädigte uns mit einer schönen Lage am Strand, wo wir den Abend mit einem feinen Nachtessen beschlossen.
Unsere Reisegesellschaft ist recht homogen, alle haben nichts gegen ein gutes Glas Wein, da niemand Vegetrier oder gar Veganer ist, können die Mahlzeiten auch problemlos kollektiv bestellt werden. Zwei Teilnehmer, ein jünger Deutschschweizer und eine ältere Romande sind für das Organisieren des Nachtessens verantwortlich, die gemeinsame Kasse wird durch Hansruedi betreut, der dieses Amt äusserst gewissenhaft ausübt.
Ein rechtzeitiger Start war am Freitag, den 8.Juni nötig, da eine lange Strecke bis Istanbul bevorstand. Der Grenzübergang war für uns unproblematisch, im Gegensatz zu einem Türken vor uns, dem bis hin zum Reservenrad das ganze Auto umgepflügt wurde. Schon bald erreichten wir das Marmarameer, an dessen Küste sich über Kilometer die Ferienanlagen reihen. Kein Wunder, die Lage mit Blick nach Süden ist auch ausserordenlich schön. Schon lange vor der Stadt begann sich nun der Verkehr zu stauen, was für unseren Konvoi nicht unproblematisch ist, wollen wir doch den Kontakt untereinander möglichst nicht verlieren. Doris (ich bin zweiter Fahrer) musste mehrere gewagte Manöver fahren, da wir als letztes Fahrzeug besonders gefährdet sind, den Anschluss zu verpassen. Das Hotel liegt in Fussgängerentfernung zum historischen Zentrum.
Heute haben wir nach einer Einführung durch unsere kompetente Reiseleiterin Claudia die Sehenswürdigkeiten Istanbuls selbständig erkundet, allen voran die Hagia Sophia. Als christliche Kathedrale im 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung errichtet wurde sie nach dem Fall des oströmischen Reiches in eine Moschee umgewandelt (im umgekehrten Falle wäre sie von en Christen wohl zerstört worden). Seit dem Staatsgründer der modernen Türkei, Kemal Atatürk, ist sie ein (reparturbedürftiges) Museum, aber trotz der altersbedingten Schäden immer noch ein eindrücklicher Bau mit einer ausserordentlichen Statik, welche mehrere Erdbeben überstand. Einst war sie das alles überragende Zentrum der Christenheit. Wir dürfen nicht vergessen, dass hier im Orient schon lange vor dem Erstarken der westlichen Mächte eine vielfältige und hochstehende Folge von Kulturen bestand, welche uns auch unschätzbare Erkenntnisse, wie die Mathematik bescherten. Der Topaki-Palast mit dem geheimnisumwitterten Harem liegt auf einer Halbinsel auf der europäischen Seite des Bosporus, der Verbindung des Mittelmeeres zum Schwarzen Meer. Von hier wurde während Jahrhunderten ein Weltreich regiert, welches von der Arabischen Halbinsel über den Iran, Nordafrika bis vor die Tore Wiens reichte. Erst der Erste Weltkrieg beendete die Rolle der Türkei als Grossmacht. Erdogan möchte ähnlich wie Putin in Russland, die alte Grösse wieder herstellen. Entsprechend empfindlich reagieren beide auf vermeintliche Erniedrigungen durch die Westmächte. Den Nachmittag beschlossen wir mit einem Besuch der Markthallen, wo ich auch noch fehlende Kleidungsstücke besorgen konnte. Selbstveratändlich sind die günstig erstandenen Kleidungsstücke zweifelsfreie Markenartikel, wie das aufgestickte Logo bestätigt.
Unterdessen ist das zweite Glas Bier getrunken und mein Eintrag für heute beendet. Ich versuche noch einige Bilder anzuhängen, hoffentlich gelingt es!
Samstag, 9. Juni 2018
von Ancona bis Istanbul
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