Samarkand, 29.6.2018
Wir benützen die Siesta, um über die ersten Eindrücke in dieser Stadt zu berichten. Unser Hotel liegt leicht ausserhalb der Stadt, verfügt aber über ein sauberes kühles Schwimmbad mit lauschigem Schatten. Wegen etwas lädierter Verdauung (ein Virus macht gegenwärtig in der Reisegesellschaft die Runde) habe ich allerdings auf das nachmittägliche Bier verzichtet, welches aus lokaler Produktion stammt und sehr gut mundet.
Samarkand ist an einer sehr wichtigen Verzweigung der Seidenstrasse gelegen. Der eine Weg führte über die nördlichen Steppen und Wüsten nach Kiew, Moskau und weiter bis an die Ostsee. (Haupthandelsgut aus dem Norden waren übrigens Sklaven. Dieser Begriff leitet sich von "Slaven" ab. Sie gehörten zur personellen Ausstattung an den Höfen und in den Harems in Persien und auf der Arabischen Halbinsel, wie auch der Städte Zentralasiens). Der andere Weg führte nach Persien, Konstantinopel und in den Nahen Osten zu den Mittelmeerhäfen (das jüngst zerstörte Palmyra war ebenfalls eine wichtige Zwischenstation in Syrien). Kein Wunder ist es also, dass die Stadt mehrfach Opfer von Eroberungen und Zerstörung war, auch von den Mongolen. Am Ende des 14. Jahrhunderts trat ein Gewaltherrscher ohne Grenzen auf den Plan: Amir Timur (Tamerlan). Innert kürzester Zeit eroberte er ein Weltreich, welches vom heutigen Irak bis nach Indien und bis in die die Gegend an der Wolga reichte. Seine Eroberungen begleitete eine Blutspur, welche sich durchaus mit jener Tschingis Khan's messen konnte. Er machte Samarkand zu seiner neuen Hauptstadt und schmückte es mit Prachtsbauten. Ein Meisterwerk war die Moschee Bibikhanum. Die Legende schreibt dieses Bauwerk allerdings seiner ersten Haremsdame zu. Sie soll es ihm zu Ehren in seiner Abwesenheit auf einem Eroberungsfeldzug in Auftrag gegeben haben. Die Arbeiten verzögerten sich und die Rückkehr des Gatten stand bevor. Der herbeizitierte Architekt gestand der Bauherrin seine Liebe zu ihr und sagte, er könne das Bauwerk nur vollenden, wenn er sie vorher küssen dürfe. Nach vielem hin und her und vielen Ausflüchten der Dame (sie bot ihm eine Haremsdame als Ersatz an, mit der Begründung, dass ein Ei verschieden gefärbt sein, möge, nach dem Schälen aber alle Eier gleich aussehen) gab sie schliesslich nach, nicht ohne züchtig den Schleier vor den Mund zu ziehen. Es nützte nichts, der heimkehrende Gatte entdeckte das unerhörte Geschehen, hatte aber angesichts der Pracht des Gebäudes Einsicht in das Verhalten seiner Frau. Der Architekt aber wurde zum Sturz vom Minarett verurteilt. Dieser entzog sich aber der Todesstrafe mit selber gebastelten Flügel, welche ihn in den fernen Iran in Sicherheit trugen. Tatsächlich hat Tamerlan, der seinen Tod nahen sah, diese Moschee zur Entlastung seines Gewissens nach dem Indienfeldzug mit über 100'000 Ermordeten gestiftet. Die Bauarbeiten wurden vorangetrieben, mit dem damit verbunden Pfusch. Schon bald wurde die Moschee baufällig. Herabfallende Ziegel erschlugen die betenden Gläubigen. Es seien glückliche Tote geworden, da sie betend direkt das Paradies erreicht hätten.
Nach dem Tod Tamerlans zerfiel das Reich bald wieder. Dafür brachte sein Enkel Ulugbek die Wissenschaften zum Blühen. Er war selbst ein grosser Gelehrter mit Hauptgewicht auf die Astronomie. Er hinterliess mit seinen Astronomen die genaue Berechnung auf Sekunden des astronomischen Jahres und berechnete die exakte Lage von über 900 Sternen. Er gründete die erste Medrese am Registan (Sandplatz wörtlich übersetzt) und legte eine Bibliothek von unschätzbarem Wert an. Folgende Äusserung wird ihm zugeschrrieben:"Religionen lösen sich auf wie Nebel, Fürstenreiche enden in Selbstzerstörung. Nur die Arbeiten der Gelehrten bleiben erhalten für alle Zeiten. Es ist das Streben nach Wissen eines jeden Menschen Pflicht!" Dass diese Gedanken dem mächtigen konservativen und wissenschaftsfeindlichen Klerus nicht passte, versteht sich von selbst. Sie entmachteten ihn mit Hilfe seines Sohnes und liessen ihn, schon hilflos und auf einer Pilgerreise befindend, hinrichten. Die Bibliothek wurde zerstört, nur die astronomischen Tafeln und Berechnungen konnten von den flüchtenden Astronomen gerettet und in Sicherheit gebracht werden. Zentralasien war übrigens schon lange der Wirkungsort von Mathematikern, denen wir viele Erkenntnisse in Algebra, zum Beispiel auch die Algorhythmen verdanken. Auch die Entdeckung der so wichtigen Zahl Null wurde hier im Orient gemacht. (der Begriff Algebra stammt von einem Mathematiker aus Bukhara mit Namen ibn Musa al Chavarizmi). Die weiteren zwei Medresen wurden später von einem Statthalter angefügt und bilden zusammen mit der Ulugbek-Medrese ein harmonisches Ganzes, wie es sonst nirgens auf der Welt zu finden ist. Die noch zu sendenen Photos sind lebhafte Zeugen.
Der Besuch Samarkand's dauert an. Sicher gibt es später noch mehr zu berichten.
Vielen Dank für die interessanten Berichte!!
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